Informationen zum Projekt "NS-Raubgut"

Bis heute befindet sich im Bestand der Bibliothek sogenanntes NS-Raubgut. Die Recherche nach raubgutverdächtigen Büchern, die während des Nationalsozialismus ihren damaligen Eigentümern zu Unrecht entzogen wurden, verfolgt das Ziel diese Bestände eindeutig zu identifizieren und zu dokumentierten und soweit wie möglich an die rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben. Im Folgenden erhalten Sie ausführliche Informationen zum Projekt „NS-Raubgut“.

Projekt "NS-Raubgut" in der SuUB Bremen

Was ist NS-Raubgut?

In der Zeit der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft von 1933 bis 1945 wurden Menschen aus rassistischen, politischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen verfolgt und ermordet. Sie verloren ihr Vermögen in Folge von Zwangsverkäufen, Beschlagnahmungen oder auf andere Weise. Diese, von Bürgern und Vereinigungen zu Unrecht entzogenen Kulturgüter, nennt man auch NS-Raubgut.

Eigener Katalogausschnitt

Die bereits identifizierten, durch die Nationalsozialisten geraubten und beschlagnahmten Bücher sind seit 2009 in einem eigenen Online-Katalog recherchierbar.

Suche nach "NS-Raubgut"

Neben Archiven und Museen gehörten auch Bibliotheken zu den Nutznießern von Enteignungen und Beschlagnahmungen. Bibliotheken fungierten als Sammelstellen für verbotene politische Literatur, bekamen "Geschenke" von der Geheimen Staatspolizei oder der Reichstauschstelle in Berlin zugewiesen oder erhielten die beschlagnahmten und geraubten Bücher aus den von der Wehrmacht besetzten Gebieten - darunter auch große Sammlungen. Solche bedenklichen Bestände wurden in den Zugangsbüchern der Bibliotheken dann vielfach als "Geschenke", "Überweisungen" oder "alter Bestand" deklariert. Die eindeutige Identifizierung dieser "Erwerbungen" ist heute oft schwierig und der Rechercheaufwand sehr groß. Nach Schätzungen des Historikers Götz Aly lagern heute noch rund eine Million geraubter Bücher in den Magazinen deutscher Bibliotheken.

Wie kam die SuUB Bremen in den Besitz von NS-Raubgut?

Um den Verfolgungs- und Terrormaßnahmen des NS-Regimes zu entkommen, gelang es jüdischen Familien bis zum Beginn des Zweiten Weltkrieges aus dem Deutschen Reich auszuwandern. Viele dieser Emigranten verließen ihre Heimat über den Freihafen von Bremen. Doch mit Ausbruch des Krieges am 1. September 1939 wurden bereits ausgelaufene Schiffe zurückgerufen, die Fracht im Hafen eingelagert und das persönliche Hab-und-Gut der Emigranten durch die Geheime Staatspolizei beschlagnahmt. In Bremen blieb deshalb das Umzugsgut vieler jüdischer Bürger im Freihafen in Containern zurück, während die Besitzer sich bereits in Sicherheit hatten bringen können. Ihr beschlagnahmtes Gepäck wurde 1942 auf öffentlichen Auktionen versteigert. "Juden-Auktionen" wurden diese Versteigerungen im internen Sprachgebrauch genannt. Wie alle öffentlichen Einrichtungen besaß die damalige Staatsbibliothek – die Vorgängerorganisation der heutigen SuUB Bremen – ein Vorkaufsrecht, von dem sie deutlich Gebrauch machte. Die rund 1.600 ersteigerten Bücher machten etwas mehr als 40% des damaligen Gesamtjahreszugangs an neuen Titeln aus. Im Zugangsbuch der Bibliothek sowie auch in jedem einzelnen Buch wurde ein Einarbeitungsvermerk "J.A." eingetragen - die Abkürzung für den Begriff Juden-Auktion.

Bücher von so genannten Juden-Auktionen

Abb. 1 und 2: Bücher von so genannten Juden-Auktionen erhielten einen handschriftlichen Eintrag "JA" und eine römische Ziffer (hier die 10) für die Nummer der Auktion. Bild rechts: Großaufnahme JA im Zugangsbuch der Bibliothek von 1942. In der Spalte Herkunft wurde das Kürzel "JA" eingegeben.

Andere unter NS-Raubgutverdacht stehende Bestände kamen durch den Ankauf über Antiquariate ins Haus.
Zwischen 1941 und 1945 wurden allein in Bremen über 800 Bürgerinnen und Bürger durch die Behörden in die Vernichtungslager deportiert. Über die Versteigerung des Besitzes durch die Behörden gelangten viele tausend Bücher in den antiquarischen Buchhandel. Es ist daher nicht auszuschließen, dass die SuUB Bremen auch über diesen Weg an NS-Raubgut kam.

Die Verfolgungs- und Terrormaßnahmen des NS-Regimes richteten sich auch gegen politisch Verfolgte Einzelpersonen und Organisationen. Bereits 1933 erhielt die SuUB Bremen nach dem Zugangsverzeichnis 137 Titel aus der beschlagnahmten Bibliothek der Bremer Volkszeitung und vereinzelt kamen auch Bücher und Zeitungen der verfolgten Gewerkschaften in den Bestand der SuUB Bremen. Den größten Zugang bilden hier die 1933 gleichgeschalteten und 1936 aufgelösten Bibliotheken der Arbeiterkammer und der Angestelltenkammer Bremen. Zwischen 1935 und 1939 kamen so über 1.000 Bücher und Zeitschriften als NS-Raubgut in den Bestand der Bibliothek.

Wie geht die SuUB Bremen mit NS-Raubgut um?

Die SuUB Bremen sieht es als ihre Verpflichtung an, die relevanten Bestände aufzufinden, zu dokumentieren, zu kennzeichnen und möglichst den Eigentümern bzw. deren Erben zurückzugeben.
Bereits Anfang der 1990er Jahre begann die SuUB Bremen als eine der ersten Bibliotheken in Deutschland mit der systematischen Suche nach Büchern aus jüdischem Besitz. Den Anstoß dazu gab ein wissenschaftlicher Nutzer, der im Jahre 1991 Einträge in Büchern mit der Abkürzung J.A. bemerkte und weiter recherchierte. Nachdem diese Funde in der Öffentlichkeit thematisiert wurden, forderte der Bremer Senat die SuUB Bremen schließlich auf, ihre Bestände nach zu Unrecht erworbenen jüdischen Büchern zu untersuchen, um sie den vielleicht noch lebenden Besitzern oder deren Erben zurückzugeben. In den folgenden Jahren erhielt die pensionierte Oberschulrätin Elfriede Bannas den Auftrag zur Recherche nach NS-Raubgut in der SuUB Bremen. In einem ersten Schritt wurden zunächst die Zugangsbücher der entsprechenden Erwerbungszeiträume gesichtet. Dank persönlicher Einträge in den Büchern und der Zuordnung von Ex-Libris gelang es 330 der rund 1.600 ermittelten Titel namentlich zuzuordnen. 275 dieser Bücher wurden bis heute von der SuUB Bremen an die rechtmäßigen Besitzer bzw. deren Erben zurückgegeben (restituiert). Nach Sichtung, Auffindung, Identifikation und Provenienzforschung erfolgte unmittelbar die Restitution. In zwei weiteren Projekten erfolgten der Nachweis der Bücher sowie schließlich erstmals die systematische Überprüfung aller der Bibliothek zwischen 1933 und 1945 neu zugegangenen Bücher.

Durch handschriftliche Namenseinträge oder Widmungen konnte ein Teil der Bücher wieder ihren ursprünglichen Eigentümern zugeordnet werden.

Abb. 3 und 4: Durch handschriftliche Namenseinträge oder Widmungen konnte ein Teil der Bücher wieder ihren ursprünglichen Eigentümern zugeordnet werden.

Zugänge von beschlagnahmten Büchern und Bände unbekannter Herkunft (Eintrag „N.“N.“)

Abb. 5 und 6: Zugänge von beschlagnahmten Büchern und Bände unbekannter Herkunft (Eintrag „N.“N.“)

Insgesamt handelt es sich in diesem Zeitraum um einen Zugang von 86.000 Bänden, wobei 20.000 Bände als raubgutverdächtig eingestuft und einer genaueren Überprüfung unterzogen wurden. Ziel des Projektes war die Erfassung und Dokumentation aller widerrechtlichen entzogenen Kulturgüter, die – soweit wie möglich an die ursprünglichen Eigentümer bzw. deren Erben zurückgegeben werden sollten.

Insgesamt konnten 2.845 Titel als NS-Raubgut identifiziert werden. Seit 1991 wurde in 30 Fällen in einem Umfang von 1.514 Titeln eine Einigung im Sinne der Washingtoner Erklärung erzielt. In der Sondersammlung NS-Raubgut befinden sich noch Besitzvermerke von 160 verschiedenen Personen und Institutionen.

Grundlagen und gesetzlicher Rahmen

Im Dezember 1998 verabschiedete eine internationale Konferenz die so genannte Washingtoner Erklärung, mit der die Staaten zur Rückgabe der von den Nazis geraubten Kunstwerke aufgefordert wurden. 1999 haben sich Bund, Länder und die kommunalen Spitzenverbände in Deutschland in einer gemeinsamen Erklärung das Ziel gesetzt, noch im Besitz öffentlicher Einrichtungen, wie Museen, Bibliotheken und Archive, befindliches NS-Raubgut zu ermitteln und an die rechtmäßigen Eigentümer zurückzugeben. Viele Bibliotheken und andere Kultureinrichtungen haben seitdem Nachforschungen in ihren Beständen durchgeführt und konnten Rückgaben an die rechtmäßigen Eigentümer leisten.

2007 verfassten die bremischen Museen, Kunstsammlungen, Bibliotheken und Archive eine gemeinsame Erklärung, wonach sie sich verpflichten, ihre Bestände nach NS-Raubgut zu beforschen und ein gemeinsames Register zu erstellen.

Nach erfolgter Rückgabe werden die Bücher aus dem Bestand ausgetragen

Abb. 7: Nach erfolgter Rückgabe an die Eigentümer bzw. deren Erben werden die Bücher aus dem Bestand der Bibliothek ausgetragen.

Kontakt

Zentrale

Dr. Maria Hermes-Wladarsch
Tel: (0421) 218 59571
hermes@suub.uni-bremen.de